Living Moments - N°4 Edition 2017

7TaTYR 8ZXPY_^ Edition 4 · 2016/17 8 Trotzdem: wenn ich Sie nachts aus dem Schlaf wecken und Sie nach Ihrer besten Rolle fragen würde, was wäre die Antwort? Die beste? Weiß ich nicht. Die berühm- teste schon eher: das ist die auch von Ihnen geliebte Rolle des Haffenloher, des Parvenüs in der Münchner Society. »Junge, ich scheiß dich zu mit mein’ Jeld! Ich bin dir einfach über« – diese Szene, in der er Baby Schimmerlos zu- rechtstutzt, ist wohl das geworden, was man heute als Kult bezeichnet. In Ihrem Buch »Schauen Sie mal böse!« beschreiben Sie auch Ihre Kindheit. Va- terlos aufgewachsen, von der mittello- sen Mutter während des Kriegs groß- gezogen, stelle ich Sie mir als aufgeweckten Lausbuben vor. Das kann man so sehen. In der Schule wurde mir bescheinigt, ich sei vorlaut. Ich war der Spaßmacher in der Klasse und mit einer gewissen Schlitzohrig- keit ausgestattet. Was mir aber fehlte, war Ehrgeiz – und jeglicher Plan, was aus mir mal werden sollte. Das hing auch mit meinen äußeren Umständen nach dem Krieg zusammen. Kein Geld, keine Beziehungen, nichts – ich war dem ausgesetzt, was mir widerfahren würde. Aber das hat sich alles günstig gefügt. Studententheater, Schauspiel- schule, erste Engagements – vielleicht kam es so, weil ich die Gabe habe, das Leben eher leicht zu nehmen. Wenn man auf Ihre Kindheit schaut, ist das freilich alles andere als selbstver- ständlich. Ihre Mutter musste Sie aus Not ins Waisenhaus geben. Heutige Sozialarbeiter hätten Ihnen eine schlechte Prognose ausgestellt. Es gab Dinge in meinem Leben, die mich hätten belasten können. Aber dazu ist es nicht gekommen, weil ich – wie gesagt – Glück und Selbstvertrau- en hatte. Letzteres hat mir meine Mut- ter geschenkt. Eine starke Frau, die es nicht zugelassen hat, dass ihr Sohn sich schlecht geboren fühlte: »Du bist jemand! Du musst dir nichts vorwer- fen!«, hat sie immer zu mir gesagt. Dass ich ein uneheliches Kind war, hat dann tatsächlich nie eine Rolle ge- spielt. Meiner Mutter bin ich dafür un- endlich dankbar. Ihr Tod war der schwerste Schicksalsschlag in meinem Leben … Sonst aber hat es dieses Leben bis jetzt doch sehr gut mit mir gemeint: keine schlimmen Krankheiten, keine Verlus- te in meinem engsten Umfeld. (Klopft auf Holz: toi, toi, toi.) Leicht war Ihr Leben in den ersten Jah- ren trotzdem nicht. Es gab damals zwei Grunderfahrungen für mich: Angst und Hunger. Die Angst im Bombenkeller und der Hunger, der noch Jahre nach dem Krieg herrschte. Als ich in Zürich meine ersten Theater- versuche unternahm, habe ich geklaut wie ein Rabe, um etwas in den Magen zu bekommen. Ich bin ja dort geboren worden, in Zürich, aber drei Monate nach meiner Geburt ist meine Mutter von der Schweizer Fremdenpolizei des Landes verwiesen worden. 21 Jahre später kehrte ich also dorthin zurück und hatte wieder nichts zum Beißen. Wenn ich gesagt habe, dass ich das Leben leicht nehme, dürfen Sie das nicht mit leichtfertig verwechseln. Ich bin kein Luftikus: Ich weiß, was uns das Leben abverlangen kann. Sind Sie durch Ihre Biografie für das Leid anderer Menschen sensibilisiert worden? Unbedingt. Angst, Hunger, Fremde: das ist mir alles vertraut. Als ich meine Kar- riere in Italien und den USA fortsetzte, bin ich als Deutscher oft angefeindet worden. Ich wurde als Nazi verdächtigt und stieß auf Ablehnung und Hass. Man füllte mir Rizinus ins Mineralwas- ser und zerkratzte mein Auto. Die Ge- werkschaften protestierten gegen mei- ne Besetzung von Rollen, die angeblich echten Italienern oder Mexikanern ge- hören müssten. Absurd. Wie man sich fühlt, wenn man in einem Land nicht willkommen ist, weiß ich. Aber natür- lich ist das Schicksal heutiger Flüchtlin- ge unvergleichlich schlimmer als das, was mir widerfahren ist. Brennende Heime, Anschläge auf Asylbewerber: das entsetzt mich. Das Flüchtlings- und Asylantendrama ist vielleicht unsere größte Herausforderung seit Kriegs- ende. Ich habe es damals für ausge- schlossen gehalten, dass es jemals wieder Nazis geben könnte nach all den Morden an unschuldigen Men- schen in Konzentrationslagern. Leider hatte ich unrecht. Was halten Sie von der Hilfsaktion Ih- res Kollegen Til Schweiger, der ein Vor- zeigeheim für Flüchtlinge einrichten will? Dass ein prominenter Künstler den Flüchtlingen helfen will, finde ich groß- artig. Til Schweiger, unser erfolgreichs- ter Schauspieler, Regisseur und Produ- zent, hat aber leider die unglückliche Gabe, sich mit seinem dünnhäutigen, motzigen Auftreten nicht beliebt zu machen. Statt eine Welle der Sympa- thie zu erzeugen, die sein Engagement verdient hätte, führt sein polemisie- rendes Temperament nur zu neuen Po- larisierungen. Er ruft damit jene auf den Plan, die er eigentlich mundtot machen will. Zurück zur Kunst. Im Kino haben Sie in den siebziger Jahren den Anschluss an den neuen deutschen Film geschafft und mit Schlöndorff und Fassbinder gedreht … … aber Theater habe ich immer weni- ger gespielt und auch gesehen. In München habe ich noch – in den Jah- ren nach Kortner – die Ära von Dieter Dorn genossen. Ende der neunziger Jahre nahm ich dann aber auch als Zu- schauer langsam Abschied von der Bühne. Obwohl es einmal mein Leben war, gehe ich heute nur noch selten ins Theater. Stimmt Sie das traurig? Es stimmt mich wehmütig. Mein klei- nes Buch feiert ja auch einen Abschied. Es setzt der großen Tradition des deut- schen Nachkriegstheaters ein Denk- mal – und vielen Männern und Frauen, die es geprägt haben, dazu. Manchmal kann die Nachwelt doch Kränze für die Mimen flechten. Das Gespräch führte Roland Müller; Fotografie: Nik Konietzny

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